Für Interessenten eine bis vier  PREDIGT(en)                        

(Es ist nicht auszuschließen, dass ich auch mal den einen oder anderen Gedanken "übernommen" habe, ohne dies in jedem Fall ausdrücklich zu benennen.)  

Am 31. März 2014 endete mein Dienst im Pfarrsprengel Thale - 

seit dem 1. April 2014 bin ich Beauftragte für Springerdienste im Kirchenkreis Halberstadt.

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Gottesdienst 2. Advent

HBS Liebfrauen - 10. Dezember 2023

Evangelium:                   Lukas 21; 25 - 33

Neue Möglichkeiten zu leben kommen von Gott, unserem Vater, und Jesus Christus, der für uns maßgeblich ist. Amen.

Liebe Gemeinde,

in der Adventszeit fällt mir immer besonders auf, wie unterschiedlich Menschen mit solchen besonderen Jahreszeiten umgehen. Da sind die einen, die in Hektik verfallen und klagen, was sie noch alles tun und erledigen müssen und dass ihnen die Zeit davonläuft – und es gibt andere, die fast versonnen sagen: Advent – das ist eine schöne Zeit.  So mit Kerzen und Stille und Vorfreude.

Und natürlich gibt es etliche, bei denen beides da ist – das Stöhnen und die Freude.

Der Dichter Theodor Storm hat das bekannte Gedicht vom Knecht Ruprecht geschrieben, das früher angeblich von vielen Kindern auswendig gelernt wurde. Obwohl ich da etwas zweifele, denn es ist ziemlich lang: „Von draußen vom Walde komme ich her, ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr.“ – Und ob Kinder heute noch zu begeistern wären mit „Äpfel, Nuß und Mandelkern“ da mache ich auch mal ein Fragezeichen.

Von demselben Mann ist auch der Stoßseufzer überliefert: „Und wieder nah´n die Weihnachtstage! Gott, hilf mir, dass ich sie ertrage!“

Für Gottesdienstbesucher/innen kommt noch eine Schwierigkeit hinzu: Da sind auf der einen Seite die schon aufdringlichen Weihnachtsutensilien in Geschäften und auf Märkten, in Kaufhäusern und Supermärkten – die vorweihnachtlichen Weihnachtsbäume usw. usf.

- und in den Kirchen gibt es zum Gottesdienst biblische Texte, die genauso wenig zum Advent zu passen scheinen.

Die Kirchenjahresfarbe ist violett – wie in der Passionszeit.

Besonders krass sind Verse des Arztes Lukas für den Advent, wir haben sie als Evangelium gehört.

Was hat das mit Advent zu tun? Die Verse enthalten scheinbar so gar nichts Weihnachtliches oder Adventliches - keine Ankündigungen eines werdenden Lebens - hier lässt Lukas den erwachsenen Jesus sprechen.

Was er sagt ist ebenfalls eher befremdlich und auch nicht erfreulich: Nicht Vorfreude steht am Anfang, sondern Angst und Schrecken. Beunruhigende Zeichen am Himmel, Angst und Furcht unter den Menschen, weil alles ins Wanken gerät - die Welt kommt aus den Fugen - das Ende kündigt sich an. Mitten in der Adventszeit ein deutlicher Hinweis darauf, dass nichts unendlich ist, dass es schreckliche und dunkle Erfahrungen gibt.

Allerdings sind derartige Erfahrungen ja real vorhanden – damals wie heute

- Erlebnisse, wo Menschen den Eindruck haben, dass ihre Welt zusammengebrochen ist, dass es nur noch Dunkelheiten und keine Hoffnungsschimmer mehr gibt.

 

Wahrscheinlich gibt es mehr Menschen als ich mir vorstellen kann, denen in diesem Jahr ihre Welt zusammengebrochen ist: Weil ihre Arbeitskraft nicht mehr gefragt ist - weil ein geliebter Mensch eigene Wege geht - weil der Tod den Partner oder die Partnerin weggenommen hat - weil eine bedrohliche Krankheit ängstigt und einschränkt - weil Freundschaften und Beziehungen zerbrochen sind, Hoffnungen enttäuscht wurden – weil Menschen Angst haben um ihr Erspartes und um ihre Zukunft.

Weitere Ängste sind dazukommen durch Katastrophen – Anschläge, Mord, politische Unruhen und Wirren – sogar Kriege - nichts mehr ist sicher in unserer unsicheren Welt – irregeleitete Menschen sind fähig zu absolut Unmenschlichem.

Dennoch: Adventszeit – Zeit der Erwartung – des Wartens auf die Geburt Jesu.

Ich weiß, dass für manche Menschen Weihnachten kein schönes Fest ist - weil sie allein sind - oder weil nach all den Vorbereitungen die Erschöpfung größer ist als die Freude - oder weil der Zwang zur Harmonie genau das Gegenteil bewirkt: Unfruchtbare Auseinandersetzungen, die zu nichts führen. Weil alles besonders schön sein soll, gerät alles besonders leicht ins Schleudern und verkehrt sich ins Gegenteil.

Erfahrungen, die auch in die Adventszeit gehören.

Der Evangelist Lukas kennt diese Erfahrungen. Er weiß, dass die Menschen seiner Zeit Angst bekommen, wenn es zu Naturkatastrophen oder auch nur zu einer Sonnenfinsternis kommt - dass sie dann meinen, jetzt habe für Himmel und Erde die letzte Stunde geschlagen.

Lukas kennt die Gemeinden, für die er das Evangelium schreibt - er weiß, dass sie verunsichert sind: Jahrzehnte sind vergangen, seit Jesus gekreuzigt wurde; von den Augenzeugen lebt kaum noch jemand; und dennoch ist Jesus noch immer nicht wiedergekommen, um das Reich Gottes zu errichten. Kommt er überhaupt noch? Oder wird das Ende dieser Welt doch nur eine Katastrophe, nach der es nichts mehr zu hoffen und zu erwarten gibt?

Lukas sieht, wie verunsichert die Menschen in den Gemeinden sind und da lässt er Jesus zu Wort kommen: „Ja“ sagt Jesus, „es geschehen immer wieder Dinge, die euch Angst machen.  - Ja, mit dieser Welt wird es irgendwann zu Ende gehen.“ Aber er hält daran fest und Lukas nimmt es auf und gibt es weiter: Jesus selbst wird kommen, wenn alles Verlässliche zusammengebrochen ist, wenn alles zu Ende erscheint - er wird mitten in die Dunkelheiten der Welt kommen.  Das Reich Gottes ist nahe, wenn auch noch verborgen. Lukas lädt ein: „Seht auf, erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.“

Immer wieder machen Menschen traurige und entmutigende Erfahrungen. Immer wieder schwindet Lebensfreude, breitet sich Angst aus. Wie kann ich damit leben? In Angst erstarren? Gesenkten Hauptes herumlaufen, die Augen verschließen, die Ohren zuhalten?

Jesus schlägt einen anderen Weg vor: Aufsehen, den Blick und den Kopf heben. Die Augen öffnen und sehen: Es gibt eine Hoffnung und eine Zukunft für mich und die Welt, aller Vergänglichkeit und Dunkelheit zum Trotz.

Die Augen öffnen und sehen: Was kann ich tun für die, deren Welt ins Wanken und aus den Fugen geraten ist? Was kann ich tun, um dieser Welt nicht vorzeitig das Ende zu bereiten?

Die Augen öffnen und sehen: Es gibt andere, die wie ich darauf vertrauen, dass am Ende nicht das Chaos steht, sondern Gottes Reich, in dem Gerechtigkeit und Friede sich küssen. Aufsehen - den Blick heben - mit anderen zusammen hoffen und arbeiten - und warten - nicht auf ein Wunder, sondern auf Gottes Reich.

Spekulationen über den Weltuntergang können wir getrost anderen überlassen. Wer Hoffnung für die Zukunft hat, hat den Kopf und die Hände frei für die Gegenwart.

„Steht auf, fasst neuen Mut!“ -  diese Worte höre ich gern, weil ich sie brauche - als Ermunterung und Hoffnungszeichen.

Advent - die Zeit des Wartens und der Erwartung. Advent - Zeit, um sich Zeit zu nehmen für sich selbst - um sich zu vergewissern, dass da ein Ziel ist - und dass Sterne die Dunkelheiten erhellen können. Wenn ich nicht den Kopf hängen lasse, sondern zu ihnen aufsehe.

Ich möchte nicht, dass diese geheimnisvollen Wochen ohne mich beginnen. Deshalb: Ich stelle mich dem Advent...

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, als alle Skepsis und Vorsicht, bewahre unsere Herzen und Gedanken, unseren Mut und unsere Phantasie in Jesus Christus, unserem Herrn.       Amen.

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GOTTESDIENST Ewigkeitssonntag

26. November 2023 – 10 Uhr

Liebfrauen Halberstadt

Psalm 126

Neue Möglichkeiten zu leben und Frieden kommen von Gott, unserem Vater, und Jesus Christus, der für uns maßgeblich ist. Amen.

Liebe Gemeinde,

nicht nur weil es November ist und die Tage immer kürzer werden, ist der heutige Sonntag ein eher düsterer Tag. Erinnerungen an das Ende des Lebens, an die eigene Begrenztheit, sind nicht leicht und hell, sondern dunkel und schwer.

Mir steht eine kurze Filmszene vor Augen:

Zwei Töchter stehen am Grab ihrer Mutter: „Hier unten ist Mama“, sagt die Große zu der Jüngeren. „Dann hast du mich belogen, als du gesagt hast, sie ist im Himmel.“ Die Größere fragt: „Träumst du manchmal?“   „Ja.“     „Siehst du, dann bist du auch in deinem Bett und gleichzeitig ganz woanders.“

In diesem kurzen Gespräch am Grabe wird deutlich: Wir können nicht allein von dem leben, was vor Augen steht. Wir brauchen den Blick darüber hinaus, wir brauchen Träume, Hoffnungsbilder, Visionen. Ohne sie können Menschen nicht gut leben. Menschen brauchen Bilder, durch die sich der Himmel öffnet - wir brauchen sie gerade angesichts von Tod, Trauer und Leid.

Ähnlich wie das Volk Israel vor Jahrtausenden in der Verbannung. Sie lebten im Leid und in der Fremde. Und sie haben davon geträumt wie es sein wird, wenn sie frei sind - ich lese noch einmal die Worte aus

Psalm 126:

Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird, so werden wir sein wie die Träumenden. Dann wird unser Mund voll Lachens und unsere Zunge voll Rühmens sein. Dann wird man sagen unter den Heiden: Der Herr hat Großes an ihnen getan! Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten. Sie gehen hin und weinen und streuen ihren Samen und kommen mit Freuden und bringen ihre Garben.

Eines dieser alten Hoffnungsbilder geht mir besonders nach: Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten.

Ich muss an die Tränen denken, die im vergangenen Jahr geweint wurden und an die, die unterdrückt worden sind. Ich denke an die vielen Tränen, die auch in unseren Gemeinden geweint wurden - beim Abschied von Menschen, deren Tod uns einsamer macht und ärmer: der Tod des Ehepartners, mit dem man viel gemeinsam erlebt und durchlebt hat; der Tod der Mutter oder des Vaters oder des eigenen Kindes. Der Tod eines Freundes oder einer Freundin, eines Menschen, mit dem man gern noch viel erlebt hätte.

Und ich denke an die vielen anderen Tränen, die es gegeben hat: Aus Verzweiflung oder aus Wut; aus Enttäuschung oder weil Beziehungen zerbrochen sind.

An die Tränen des Entsetzens und der Wut über das, was Menschen einander antun, um politische Ziele durchzusetzen, über alle unfassbaren Grausamkeiten in unserer Welt.

Die alten Worte des Psalms sagen: Die Tränen sind nicht vergeblich. Die mit Tränen säen werden mit Freuden ernten.  Hier heißt es nicht: Sei standhaft und stark, nimm dich zusammen - und es heißt auch nicht: Die Zeit heilt alle Wunden. Das sind nicht die schnellen Worte, mit denen so oft über Trauer und Schmerz hinweg gegangen wird, es wird deutlich: Tränen gehören dazu, Gott kennt unseren Schmerz und unsere Trauer.

Die Tränen sind nicht das Letzte. Durch sie kann sich der Horizont öffnen. Wer weinen kann, kann auch hoffen. Tränen sind die Saat der Hoffnung. So entsteht in dem Psalm ein Bild der Hoffnung; es klingt wie bei einem Erntefest: „Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten. Sie gehen hin und weinen und streuen ihren Samen und kommen mit Freuden und bringen ihre Garben.“ Ein Bild voller Freude und Lebensfülle. Ein Hoffnungsbild gegen das Leid. Wie ein Traum.

Wir können es uns vorstellen. Viele kleine Körner werden in die kalte und dunkle Erde gelegt – wie beerdigt.

Kein Bauer weint beim Säen – das ist eine zuversichtliche Arbeit – da wird an das Morgen gedacht, gehofft, dass die Ernte eines Tages aufgeht.

Friedhof – ein Feld, das zu uns Menschen gehört. Gottesacker haben ihn unsere Vorfahren genannt und legten einen Menschen in die Erde – wie ein Korn.

Uns ist dabei zum Weinen. Trauer nimmt uns gefangen, Gedanken, Fragen und Anklagen arbeiten in uns.

Gläubige Juden nennen ihren Friedhof „Guter Ort“ – Guter Ort – es ist gut, dass es Friedhöfe gibt – Orte des Abschieds – Orte der Trauer.

Im letzten Buch der Bibel, der Offenbarung des Johannes, kommt dieses Bild wieder: „Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid, noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein.“

Bilder vom Leben - Bilder wie ein Traum - Bilder, die der Wirklichkeit nicht standhalten?

Es ist nicht nur ein Traum. Die Träume sind längst wahr geworden, die alten Hoffnungsbilder Wirklichkeit: Dafür steht Jesus ein - mit seinem Leben, seinem Tod und seiner Auferstehung. Mit ihm beginnt der neue Tag, das neue Leben mit Freude und Heil.

In dem Gespräch der zwei Töchter heißt es: „Wenn du träumst, dann bist du auch in deinem Bett und gleichzeitig ganz woanders. „

Wir leben ganz und gar in dieser Welt mit ihren Nöten und gleichzeitig können wir von der Hoffnung leben - durch Jesus Christus.

Dietrich Bonhoeffer, der von den Nazis ermordete Pfarrer hat am Heiligen Abend 1943 in seiner Gefängniszelle dazu geschrieben:

Es gibt nichts, was uns die Abwesenheit eines lieben Menschen ersetzen kann; man soll das auch gar nicht versuchen; man muss sie aushalten und durchhalten. Das klingt zunächst sehr hart, aber es ist doch ein großer Trost; denn indem die Lücke wirklich unausgefüllt bleibt, bleibt man durch sie miteinander verbunden. Es ist verkehrt wenn man sagt: Gott füllt die Lücke aus. Er füllt sie nicht aus, sondern er hält sie vielmehr unausgefüllt und hilft uns dadurch, unsere Gemeinschaft, wenn auch unter Schmerzen, zu bewahren. Und ferner: Je schöner und voller die Erinnerung, desto schwerer die Trennung, aber die Dankbarkeit verwandelt die Qual der Erinnerung in eine stille Freude.“

Ich wünsche allen die trauern, dass diese „stille Freude“ eines Tages Ihre Trauer ablösen kann.         Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, als alle Skepsis und Vorsicht, bewahre unsere Herzen und Gedanken, unseren Mut und unsere Phantasie in Jesus Christus, unserem Herrn.

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GOTTESDIENST 18. nach Trinitatis

8. Oktober 2023 – 10 Uhr

Liebfrauen Halberstadt

 

Predigttext:                    2. Mose 20; 1 – 17

Neue Möglichkeiten zu leben kommen von Gott, unserem Vater und Jesus Christus, der für uns maßgeblich ist. Amen.

Liebe Gemeinde,

als ich vor vielen Jahren eine Reise nach Kalifornien machen konnte fiel mir eins in den Geschäften sofort angenehm auf: Da gab es keine Schilder mit „Rauchen verboten“, sondern „Danke, dass Sie nicht rauchen.“ – und das fand ich viel freundlicher als die Verbotsschilder.

Wenn ich schon höre „Du musst, Du sollst, Du darfst nicht!“ dann meldet sich fast immer ein kleines Teufelchen in mir, das gerade das will, was verboten ist – dazu gibt es auch passende Sprichwörter: „Verbote Früchte sind besonders lecker“, „Kein Mensch muss müssen“ (was ja nicht stimmt J ) – Und wenn irgendwo steht „Für Unbefugte Betreten verboten“ möchte ich oft gern zu den Befugten gehören. Untersagtes kann besonders verführerisch sein.

Vielleicht ist das aber auch nur typisch deutsch – andere Länder, andere Sitten:

In jüdischen Gemeinden ist es zum Beispiel üblich, jährlich ein „Fest der Freude am Gesetz“ zu feiern. Da tanzen und singen, lachen und beten Menschen auf den Straßen und feiern in den Gotteshäusern. Darüber kann ich nur staunen.

Bei uns kann ich mir das nur schwer vorstellen. Hier werden Gesetze anders gehört und erlebt: Als Zwang, als Einengung menschlicher Freiheiten. Die Zehn Gebote werden heute längst nicht mehr von allen Menschen gekannt, schon gar nicht als verbindlich betrachtet. Eher wird darin eine Schikane der Kirchen vermutet, die den Menschen die Lust und die Freude am Leben verderben will. Dahinter steht ein kleinkarierter, miesepetriger Gott, der keinem etwas Gutes gönnt. So wird es jedenfalls vermutet.

Sind die 10 Gebote von Gott selbst gegeben - oder von Menschen gemacht?

Können Gebote, die ungefähr 3000 Jahre alt sind, für den modernen Menschen noch verbindlich sein? 

Dass Verkehrsregeln sinnvoll und notwendig sind, lernen schon kleine Kinder. Ohne Gebote und Verbote gäbe es ein lebensbedrohliches Chaos auf unseren Straßen. Ist es zu schwer zu akzeptieren, dass es auch im Umgang der Menschen untereinander Gebote und Regeln geben muss?

Der Schlüssel, der uns den Sinn der 10 Gebote erschließt, liegt meines Erachtens in dem ersten Satz: „Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, der dich aus dem Sklavenhaus befreit hat.“

„Ich habe dich geführt, ich habe dich befreit.“ Gott selbst, ganz persönlich.

Nicht eine blinde Macht, nicht ein unerbittliches Schicksal über uns!
Gott als Person nimmt Beziehung zu uns Menschen auf,
Gott kümmert sich um uns Menschen.

„Ich habe dich befreit aus dem Sklavenhaus."

Wir waren und sind keine Sklaven, wie es damals üblich war – doch es gibt Zwänge und Dinge, die unfrei machen. Ich darf nicht auffallen, jedenfalls nicht unangenehm.

Ich muss mitmachen, was die anderen tun. Ich muss mit lachen, wenn andere lachen. Ich muss mit schimpfen und klagen, wenn alle schimpfen und klagen.


Muss ich das wirklich?

Oder darf ich mich an dem Wissen freuen:

Gott hat uns nicht nur ins Leben gerufen, er hat uns die Gnade des Glaubens geschenkt; er hat uns in der Taufe zu seinen Kindern gemacht; er hat uns frei gemacht und befreit uns immer wieder von Schuld durch die Gemeinschaft mit Jesus, seinem Sohn; er hat unserem Leben ein neues Ziel gegeben, eine neue Perspektive über alle Klagen hinaus, eine Perspektive, die uns niemand nehmen kann!
Ist dies nicht so etwas wie ein neues Leben? Eine neue Freiheit und Unbeschwertheit? „Ich habe dich geführt, Ich habe dich frei gemacht"? Weil ich dich liebe!

Weil sich Gott in Liebe um uns kümmert, gibt er uns Maßstäbe für ein gelingendes, menschenwürdiges Leben. Die Gebote sind nicht Ausdruck seines Herrschen-Wollens über uns, sondern seiner Sorge um uns und seiner Liebe zu uns.

Er möchte verhindern, dass wir - von ihm aus Gnade zur Freiheit geführt - diese Freiheit kurzsichtig und leichtfertig verscherzen - indem wir auf der Suche nach Glück in neue Unfreiheiten und Zwänge hineingeraten,
- indem wir auf uns selbst, auf unsere Ohnmacht und damit zu unseren Lebensängsten zurückfallen, - indem wir uns im Leben immer neue Götzen, „Ersatzgötter" aufbauen.

Wenn ich nur noch darauf achte, was gerade „in“ ist und was die anderen von mir erwarten, artet das sehr schnell in Unfreiheit aus.

Deshalb das 1. Gebot: „Du sollst neben mir keine anderen Götter haben.“

 

Der Theologe Ernst Lange hat die Zehn Gebote als die „Zehn großen Freiheiten“ bezeichnet. Wir brauchen keine Angst zu haben vor fremden Mächten und niemand muss befürchten zu kurz zu kommen, wenn die Rechte des Mitmenschen gewahrt bleiben. Ein großzügiges Angebot unseres menschenfreundlichen Gottes.

Eines der zehn biblischen Gebote ist das Feiertagsgebot, dabei geht es um den Sabbat. Sabbat - das ist mehr als unser Sonntag. Sabbat - das heißt zunächst einmal ganz einfach „aufhören“.

Am Sabbat, am Ruhetag, hat die ganze Schöpfung Anteil. Einbezogen sind die Tiere, die Kinder, die Erwachsenen, die Alten und die ganz Jungen. Am Sabbat sind in einer Welt voller Sklaven alle einen Tag lang freie Menschen. Jede Woche ein Tag des Protestes gegen jede Unfreiheit; jede Woche ein Tag, der den Menschen ihre Würde zurückgibt.

Bei uns sieht es oft anders aus. Da wird am Sonntag erledigt, was in der Woche liegen geblieben ist. Und für Arbeitslose und Rentner ist es schwer, den Sonntag so zu empfinden und zu gestalten, dass er sich deutlich von den anderen Wochentagen unterscheidet.

In der Bibel heißt es: Gott gönnte sich einen Tag Pause. Es ist göttlich, Abstand vom Alltag zu gewinnen.

Dass wir das ebenfalls brauchen, bezweifelt sicher niemand ernstlich.

Vielleicht gelingt es uns, dieses Angebot mit Leben - das heißt mit wirklicher Ruhe - zu erfüllen.  Ich wünsche uns allen einen wohltuenden Sonntag.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, als alle Skepsis und Vorsicht, bewahre unsere Herzen und Gedanken, unseren Mut und unsere Phantasie in Jesus Christus, unserem Herrn.       Amen.

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Eröffnungsandacht

 Evangelisches Gemeindezentrum Thale 

22. Februar 2020 um 10 Uhr

Dialog Einweihung Gemeindeanbau St. Petri Thale

Ursula Meckel & Thomas Thiede

Ursula: Verehrte Anwesende, liebe Festgemeinde,

als ich ca. 2015 davon erfuhr, dass ein Anbau an der St.Petri-Kirche geplant ist, schossen mir sofort drei Gedanken durch den Kopf:

-          1. Das ist niemals genehmigungsfähig - denn da gibt es die obere, untere und mittlere Denkmalsschutzbehörde – und vermutlich noch diverse andere Instanzen und Behörden, die mitzureden haben.

-          2. Das ist nie und nimmer finanzierbar – ich habe zwar keine Ahnung von den wirklichen Kosten, aber ich bin sicher: Ganz bestimmt nicht von den beiden kleinen Kirchengemeinden hier in Thale.

-          3. Es kann mir eigentlich auch egal sein, weil ich das ganz sicher ohnehin nicht erleben werde.

Nun ja – so kann man sich irren.

Der Bau wurde genehmigt, die Finanzierbarkeit wurde geklärt – es fehlt zwar noch einiges für die Innenausstattung – und ich lebe noch.

Nun ist eine weitere und viel wichtigere Frage offen: Wird der Anbau angenommen von den Menschen, für die er konzipiert ist –

also: Werden sich hier Menschen treffen und miteinander ins Gespräch kommen, diskutieren, kreativ sein, singen, blasen, tanzen, filzen, malen – ein wirkliches Kultur- und Begegnungszentrum?

Das wird die kommende Zeit bringen und ich kann es nur hoffen und wünschen, damit das Engagement, auch das finanzielle, nicht vergeblich war.

Allerdings: Ich höre auch viel Skepsis und Kritik – „Was habt ihr denn da mit unserer schönen Kirche gemacht?“ – „Das passt doch überhaupt nicht dahin!“ – usw. usf.

Thomas: (vom Bläserplatz aus) Aber das ist doch klar. Immer, wenn etwas Neues entsteht sind sofort diejenigen auf der Matte, denen das nicht gefällt. (kommt nach vorne)

Dabei haben wir als Gemeindekirchenrat es uns nicht leicht gemacht. Als 2014 klar war, dass wir unser Gemeindehaus auf der anderen Straßenseite nicht erhalten und auch nicht behalten können, waren wir nicht nur traurig, sondern auch geschockt und ziemlich verzweifelt.

Na klar, hätten wir uns einfach hinsetzen und weinen und uns bedauern können, aber wir wollten nach vorn sehen und überlegen, wie es weitergehen kann. Es gibt so ein schönes Bibelwort: „Wer seine Hand an den Pflug legt und schaut zurück, der ist nicht geschickt zum Reich Gottes.“

Ursula: Also, ihr wollt hier das Reich Gottes aufbauen?

Thomas: Naja, nicht ganz so vollmundig. Wir möchten, dass sich hier Menschen treffen und begegnen können, etwas miteinander erleben und gestalten. Und nicht nur evangelische Christen, sondern alle Menschen, denen Kultur wichtig ist – deshalb heißt es ja „Kultur-und Begegnungszentrum“. Und dass Kultur wichtig ist, wird ja wohl niemand ernsthaft bezweifeln. Schau dir doch nur an, was gerade in der Politik so läuft – wie respektlos da miteinander umgegangen wird – wie oft Andersdenkende übereinander reden, aber nicht miteinander – sich gegenseitig austricksen - einander verteufeln anstatt sich zuzuhören.

Ursula: Das ist leider wahr. Aber wie wollt ihr das mit diesem Anbau ändern? Soll hier ein Diskutierclub entstehen, wo Menschen unter Anleitung lernen, wie man kulturvoll miteinander umgeht.

Thomas: Natürlich nicht. Oder vielleicht auch? Mal sehen. Auf jeden Fall wollen wir die Möglichkeit geben, dass Menschen etwas gemeinsam erleben – schon das verbindet ja und baut Berührungsängste ab. Beim gemeinsamen Tun kommt man sich näher – oder auch, wenn man sich miteinander erfreut, zum Beispiel an schöner Musik oder gemeinsam einen Film ansieht und sich darüber austauscht, Theater spielen oder anschauen, Lesungen und unterschiedliche Workshops.

Es gab schon mal ein Format, das „Kreuz und quer“ hieß, eine Veranstaltungsreihe mit verschiedenen Angeboten – das möchten wir wieder beleben. Die ersten Termine sind schon geplant.

Ein großer Vorteil des Anbaus ist, dass er barrierefrei gestaltet wurde, also auch für Menschen mit Handicap zugänglich ist, niemand ausgegrenzt wird.

Wir – nicht nur diejenigen vom Gemeindekirchenrat - sind jedenfalls gespannt und neugierig, wie es hier weitergeht – bzw. erst richtig los geht.

Ursula: Mir fällt auch noch ein Bibelwort ein:

„Denn siehe, ich will ein Neues machen; jetzt soll es aufwachsen - erkennt ihr es nicht?“

Da lädt der alte Prophet Jesaja dazu ein, genau hinzusehen wo etwas Neues wächst, darüber zu staunen und es zu pflegen.

Thomas: Genau das haben wir vor – hinsehen, staunen, pflegen – Menschen aktivieren und einladen, nicht nur Thalenser, sondern auch die vielen Touristen, die in unsere Stadt kommen.

Ursula: Übrigens – weißt du, was das hier ist? (Raupe zeigen)

Thomas: Nicht wirklich, sieht aus wie ne olle Raupe.

Ursula: Genau – das Wertvolle und Schöne daran ist zunächst nicht zu sehen – weil es noch inwendig ist:

(Raupe entfalten zum Schmetterling)

Thomas: Wow! So oder jedenfalls so ähnlich stelle ich mir die Zukunft von unserem Kultur- und Begegnungszentrum vor.

Beide:             Amen.

Lied:   Komm, bau ein Haus …      Blatt                                                 Chor, Bläser

 

Wir bitten um Gottes Segen:

Ursula Meckel: Herr, segne unsere Hände, dass sie behutsam seien,

dass sie halten können, ohne zu Fesseln zu werden,

dass sie geben können ohne Berechnung,

dass ihnen innewohnt die Kraft, zu trösten und zu segnen.

 

Thomas Thiede: Herr, segne unsere Augen, dass sie Bedürftigkeit wahrnehmen,

dass sie das Unscheinbare nicht übersehen,

dass sie hindurchschauen durch das Vordergründige,

dass andere sich wohlfühlen können unter unseren Blicken.

 

Steffi Andrä: Herr, segne unsere Ohren, dass sie deine Stimme zu erhorchen vermögen.

dass sie hellhörig seien für die Stimme der Not, dass sie verschlossen seien für Lärm und Geschwätz, dass sie das Unbequeme nicht überhören.

 

Kristin Heyser: Herr, segne unsere Münder, dass sie dich bezeugen,

dass nichts von ihnen ausgehe, was verletzt und zerstört,

dass sie heilende Worte sprechen, dass sie Anvertrautes bewahren.

 

Stefan Ehrhardt: Herr, segne unsere Herzen, dass sie Wohnstatt seien deinem Geist,

dass sie Wärme schenken und bergen können,

dass sie reich seien an Verzeihung, dass sie Leid und Freude teilen können.

 

Ursula Meckel: Herr, segne dieses Haus, dass es offen sei für alle Menschen guten Willens,

dass wir einander zuhören und unterschiedliche Meinungen ertragen,

dass wir voneinander lernen und miteinander feiern können,

dass wir spüren können, wie Himmel und Erde sich berühren.

Amen

 

Musik: „Trumpet Tune“ Bläserklänge S. 292                                                               Bläser

 

 

 

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14. Mai 2017 - 40 Jahre Ordination - Thale St. Andreas

   

                                      

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Gottesdienst 31. Oktober 2014

Wendegedenken – Reformation – Verabschiedung Pastorin Ursula Meckel

Liebe Versammelte,

heute vor 25 Jahren um diese Zeit war ich sehr viel aufgeregter als heute – in zweieinhalb Stunden würde hier in dieser Kirche eine Veranstaltung beginnen, von der niemand sagen konnte, wie sie ausgehen würde – wie viele kommen würden – ob es friedlich bliebe. Einige entschlossene Bürger/innen hatten eingeladen zu einem „Gebet für Land und Leute“ - … ein heute völlig harmloser Text, damals  staatsgefährdend gefährlich – die Handzettel wurden schnell entfernt, doch es hatte sich herumgesprochen.

Etliche sind jetzt hier, die damals auch dabei waren – um viele Erfahrungen reicher.

An diesen Reformationstag vor 25 Jahren erinnern wir.

Reformationstag – ein evangelischer Feiertag, den wir hier in Thale seit vielen Jahren ökumenisch begehen – so auch heute – ein zweiter Grund zur Dankbarkeit, weil das keineswegs überall selbstverständlich möglich ist.

Der dritte Anlass dieses Gottesdienstes: Nach 40 Jahren im kirchlichen Dienst werde ich verabschiedet - von den Kirchengemeinden und vom Kirchenkreis – entpflichtet vom Amt? – von der Pflicht zur Kür? – beziehungsweise verabschiede ich mich? - oder auch nicht?

Schaun wir mal.

Auf jeden Fall feiern wir jetzt einen Gottesdienst mit ganz viel Musik und dafür bin ich dankbar; dankbar allen, die ihn mit ausgestalten – und dazu gehören auch Sie alle hier, die zum Mitsingen eingeladen sind.

Dankbar bin ich vor allem dafür, dass wir uns versammelt haben im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. Hilfe erwarten wir von dem Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.

Chor + Gemeinde: Wo Menschen sich vergessen …

Gott, wir treten jetzt vor Dich mit unseren Erinnerungen, unseren Wünschen, unseren Befürchtungen und unseren Hoffnungen. Wir schauen zurück und nehmen Abschied – wir blicken nach vorn und haben Träume.

Ich möchte bewahren, was gut war in den vergangenen Jahrzehnten. Denn vieles war wunderschön, erfrischend, aufregend, überraschend neu – dafür danke ich, das will ich nicht missen.

Loslassen und bewahren - beides. Gott, gib mir den Mut, die Hände zu öffnen, um Altbekanntes loszulassen. Gib mir den Mut, die Hände zu öffnen und die Arme auszubreiten, um Neues, Unbekanntes zu begrüßen.

Gott, ich danke Dir, dass ich getragen bin von der Hoffnung, gehalten zu werden -  beflügelt von dem Glauben, dass Du Dich kümmerst - auch um mich. Begeistert von dem Glauben, dass Du da bist.

Du hältst die Zeit liebevoll in Deinen Händen. Du bist ewig. Gestern und heute und morgen. Kein Anfang, kein Ende. Die Zeiten kommen und gehen - Du bleibst und rufst zum Leben im Vertrauen auf Dich und Deine beständige Gegenwart. Du bist auch jetzt mitten unter uns. Das ist Grund, sich zu freuen – deshalb:

Jauchzet dem Herrn alle Welt!

Amen.

Chor + Bläser:     Psalm 100

Lesung = Prediger 3; 1 - 13                                   

Meine Hoffnung …

                Credo                                                        

Bläser:                 La nuit

PREDIGT-Einstieg

U.:     Sag mal bitte,  Angelika, findest Du nicht auch, dass das heute hier eine etwas seltsame Veranstaltung ist?

A.:     Wieso seltsam? Es ist ein schöner Gottesdienst in einer vollen Kirche mit aufmerksamen Menschen, viel Musik und guter Stimmung. Und weil aller guten Dinge drei sind, gibt es drei inhaltliche Schwerpunkte: Wende-Gedenken, Reformation und Deine Verabschiedung.

U.:     Wende-Gedenken und Reformation sind klar – aber meine Verabschiedung? Mein Dienst hier im Pfarrbereich endete schon vor sieben Monaten. Ich wohne weiter in der Gemeinde und gehöre zum Bläserchor und in der Stadt bleibe ich ebenfalls, sogar im Stadtrat. Und: Im Kirchenkreis und selbst darüber hinaus geht meine Arbeit weiter. Also was für ein Abschied?

A.: Kann es sein, dass Du Dich um einen Abschied drücken willst?

U.: mhm … Also, mein ältester Patensohn hat mir geschrieben: „Ruhestand KANNST Du gar nicht.“

A.: Weiche nicht aus! Kann es sein, dass Du Dich drücken willst vor dem Abschied? Weil das weh tut?

U.: mhm …

A.: Bisher hast Du das ja ganz geschickt geschafft – denn Dein Dienst im Pfarrbereich Thale endete ja bereits am 31. März – wie Du weißt…

U.: Und Du weißt: Jeder Abschied ist ein kleines Sterben.

A.: Gehts auch etwas weniger theatralisch? - Du weißt: Alles hat seine Zeit … steht doch so schön auf der Einladung: …

U.: Das ist wohl der Unterschied zwischen Theorie und Praxis - oder wie wir hier im Osten gesagt haben: Zwischen Marx und Murks. Ich weiß, dass ich mich dem stellen muss. Nur: Zum April hast Du hier eine neue Pastorin eingesegnet. Willst Du mich jetzt aussegnen? Das klingt so nach Beerdigung.

A.: Natürlich nicht! Aber z. B. entpflichten – Du MUSST jetzt nichts mehr tun, aber Du darfst noch – und Pastorin bleibst Du ohnehin (so lange Du es möchtest).

U.: mhm …

A.: Nun schwirre schon ab auf die Kanzel – oder hast Du nichts mehr zu sagen?

U.:   Na gut. J  Aber ich bleibe lieber hier unten – ich möchte ja nicht „von oben herab“ reden …

Neue Möglichkeiten zu leben und Frieden kommen von Gott, unserem Vater, und Jesus Christus, der für uns maßgeblich ist.                 Amen.

Liebe Anwesende,

gestern wurde ich am Telefon gefragt: „Freust Du Dich eigentlich auf den Gottesdienst morgen?“ und ich konnte ehrlichen Herzens sagen: „Inzwischen Ja! Ja, ich freue mich.“

Im April, als das eigentlich aktuell war, hätte ich das noch nicht gekonnt, denn es ist ja etwas dran, dass ich mich eigentlich irgendwie um diesen Abschied drücken wollte, weil eben jeder Abschied ein kleines Sterben ist und weh tut.

Heute ist das anders, weil nicht nur ein Lebensabschnitt zu Ende ging, sondern weil Neues, und für mich sehr Erfreuliches angefangen hat – und weil Wichtiges geblieben ist.

Loslassen und bewahren zugleich, Ende und Anfang.

Allerdings: Irgendwie lastet jetzt auf mir der Druck, ich müsse nun etwas ganz Bedeutsames und Kluges sagen – etwas zum Merken und Aufmerken – zum Abschied, der ja gar kein wirklicher Abschied ist. Denn es sind eben keine „letzten Worte“.      

Klar ist, ich bin nicht mehr die Pastorin von Thale, Warnstedt, Bad Suderode und Friedrichsbrunn – den Staffelstab im Pfarrbereich habe ich am Ostermontag weiter gegeben - aber ich bin und bleibe Pastorin und das gerne und bin dankbar für neue Herausforderungen und Aufgaben im Kirchenkreis und darüber hinaus – solange ich das kann und darf.

Normalerweise sitze ich unter den Bläser/innen – und das ist mir wichtig: Mitzublasen und vor allem Dazuzugehören. Ich möchte Teil einer Gemeinschaft sein, keine Einzelkämpferin. Aber heute gönne ich mir mal das Zuhören - dürfen.

Wendegedenken – Erinnerung an den Reformations-Abend vor 25 Jahren – damals wurden „Zeugnisse der Betroffenheit“ laut.

Ursprünglich wollte ich jetzt sagen, was mich heute betroffen macht. Dann ist mir noch rechtzeitig eingefallen, dass in unserem Land viel gejammert wird – und das meist auf sehr hohem Niveau. Das möchte ich nicht und habe auch keinen Grund dazu, vielmehr möchte ich am Ende einer langen Zeit im kirchlichen Dienst sagen, was mich dankbar macht.

Ich werde drei Kerzen der Dankbarkeit entzünden.

1. Die erste für das ehrenamtliche Engagement vieler Menschen, ohne das sehr vieles nicht möglich wäre - in den Kirchengemeinden – in den Kommunen – in Verbänden und Vereinen … über Parteigrenzen hinweg. Menschen, die nicht sagen „Was kriege ich dafür?“ und vor allem nicht: „Da kann man doch nichts machen“, sondern die sagen: „Da kann ICH was machen“ und das auch tun – zusammen mit anderen. Die nicht nur meckern und alles von anderen erwarten.

Dass viele den Mut haben, sich einzusetzen und kostenlos Zeit und Kraft opfern, auch wenn andere darüber den Kopf schütteln oder sich lustig machen, das finde ich einfach toll!

Mein Freund Erich Schweidler – er war Pfarrer an der St.Petri-Gemeinde und erster Nachwendebürgermeister in Thale – hat mir 1976 ins Gästebuch geschrieben: „Wer den Mut hat, sich unbeliebt zu machen, wer unbequem ist,  bringt die Entwicklung weiter. Mitmacher sind zwar bequem, aber langweilig.“

Sich anstößig zu verhalten bringt Anstöße – bringt in Bewegung – bringt weiter – macht die Welt etwas heller und wärmer, so wie diese Kerze.

2. Die zweite Kerze der Dankbarkeit entzünde ich für meine guten Erfahrungen mit der Ökumene – nicht nur aber auch hier in Thale.  Wir haben in den vergangenen Jahren vieles ganz unkompliziert gemeinsam gemacht, manchmal im Kleinen, dann auch im Größeren. Ich erinnere an den Ökumenischen Kreiskirchentag 2008, an die vielen Mitwirkenden beim Harzfest und 2009 beim Sachsen-Anhalt-Tag hier in Thale, bei den vielen Harzer Sommertagen, die wir ökumenisch gestaltet haben.

Viel Gemeinschaft und Gemeinsamkeiten konnte ich erleben bei den großen Ökumenischen Kirchentagen in Berlin und München, bei Katholikentagen und den großen evangelischen Kirchentagen und bei den Reformationstagen, die wir hier in Thale seit langem zusammen begehen – mit gemeinsamen fröhlichen Mahlzeiten.

Noch trennt uns evangelische und katholische Christen manches voneinander, doch es gibt viele Schritte aufeinander zu.  

Im September habe ich in Halberstadt an einer Ökumenischen Vesper teilgenommen aus Anlass des kirchlichen Festes für den Frieden und die Einheit der Kirche. Ein katholischer Geistlicher führte dazu aus:

Wichtig bleibt, dass der Glaube und das Mahl anderer Konfessionen nicht richtig oder falsch, sondern ehrlich, aber eben anders sind. Diese Erkenntnis ist eine tragfähige Grundlage für Gespräche, die keinen Einheitsbrei als Ergebnis wollen. Selbst wenn es immer noch nicht nach einer zeitnahen Lösung aussieht: "Der Mauerfall vor 25 Jahren kam auch unerwartet!"

Beifall bekam er für seinen Satz: „Freiheit muss ich mir NEHMEN.“  Die bekommen wir nicht auf einem Silbertablett serviert. Wenn das nicht hoffen lässt!

Dafür die zweite Kerze, bei der ich auch an den Satz denke, der mir schon in der DDR-Zeit wichtig geworden ist: „Es ist besser eine Kerze anzuzünden als über die Dunkelheit zu jammern.“

3. Die dritte Kerze ist deutlich größer als die beiden anderen und das ist natürlich kein Zufall. Ich bin in einem nichtkirchlichen Elternhaus aufgewachsen und habe als Jugendliche ersten Kontakt zu Kirche und Glauben gefunden. Dankbar bin ich für die Kraft des Glaubens – für die Einladung zur Freiheit und zum aufrechten Gang.

Ein Spruch von Theodor Storm, den ich von meinem Konfirmator gelernt habe, hat mich geprägt: „Der eine fragt: Was kommt danach? Der andre fragt nur: Ist es recht? Und also unterscheidet sich der Freie von dem Knecht.“

Ich wollte FREI sein und habe im Glauben Freiheit gefunden und die Erkenntnis gewonnen: Gottesfurcht schützt gegen Menschenfurcht. Ich denke an Paulus in der Gefängniszelle: Er war gefesselt und predigte dennoch FREI das Evangelium. – Ich lebte in einem Staat, der seine Bürger/innen einsperren musste, damit sie blieben …

Diesen Zustand konnten wir beenden – friedlich – ohne Gewalt – mit vielen kleinen Kerzen, auch hier bei uns in Thale.

Dafür diese dritte große Kerze. Danke für alles!

Heute meine Verabschiedung aus dem offiziellen Dienst. Aber ich bin und ich bleibe Pastorin. Als Christin lebe ich in dem Wissen, ein Geschöpf zu sein – verantwortlich für mein Leben, für alles Tun und für alles Lassen – und angewiesen auf Gemeinschaft.  

Gott gibt dem Menschen viele Möglichkeiten und setzt ihm hilfreiche Grenzen. Wer sich vor Gott verantwortlich weiß, geht verantwortlich mit der Schöpfung, mit den Mitmenschen, mit sich selbst um.  

Jesus ist uns ein Vorbild: Er war unbequem und anstößig – hatte keine Angst vor den Mächtigen und Geduld mit den Unvollkommenen. Er blieb ehrlich und riskierte es, sich unbeliebt zu machen. Mit seinen Maßstäben lässt es sich leben: „Gott ist der Mensch, der uns menschlicher macht.“

Zum Schluss ein Satz vom „Ehrenbürger der Herzen“ unserer Stadt, dem katholischen Pfarrer Wolfgang Janotta, den ich beim Abschied von den Gemeindekirchenräten im März zitiert habe:

„Ich habe getan, was ich konnte. Den Rest muss der liebe Gott erledigen.“

Wird er – er hat ja Sie und Euch! J

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, als alle Skepsis und Vorsicht, bewahre unsere Herzen und Gedanken, unseren Mut und unsere Phantasie in Jesus Christus, unserem Herrn.       Amen.

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Angelika Zädow:

Liebe Ursula, liebe Gemeinde,

nach 38 Jahren in Thale und 40 Jahren im kirchlichen Dienst wirst Du, liebe Ursula, heute aus diesem Dienst verabschiedet. Dass Du daran lange geknabbert hast, ist kein Geheimnis. Und ja, das ist sicher schwer, nach einer solchen Zeit alles „sein“ zu lassen, was vier Jahrzehnte tagtäglich das Leben und die Zeit prägte, den Tagesrhythmus vorgab, Herz und Verstand beschäftigte: Lektoren und Organistinnen für die Gottesdienste und Amtshandlungen zu finden, die Gemeindebriefe zu gestalten und den Beiträgen „hinterher“ zu laufen, Besuche zu machen, die Anfragen des Kreiskirchenamtes zu bedienen, Gruppen und Kreise zu organisieren und noch viel mehr. Das alles hört nun auf nach 40 Jahren.

Diese Zahl spielt übrigens in der Bibel immer wieder eine Rolle: 40 Tage und Nächte dauerte die Sintflut, 40 Jahre dauerte der Zug des Volkes Israel durch die Wüste, Mose weilt 40 Tage auf dem Berg Sinai, um die Gebote zu empfangen, der Prophet Elia geht 40 Tage und Nächte zum Berg Horeb und Jesus fastet 40 Tage in der Wüste.

So unterschiedlich diese Erzählungen sind -  zwei Dinge verbinden sie. Erstens: In dieser Zeit begegnen sie Gott. Und ich wünsche Dir und Ihnen, liebe Gemeinde, dass Sie im Nachdenken über die gemeinsame Zeit im Pfarrbereich Thale auch sagen können: Da gab es Momente und Augenblicke der Gemeinschaft, in denen wir uns des Glaubens sicher waren oder wurden.

Zweitens: Nach dieser Zeit veränderte sich das Leben der Menschen. Dieser Zeitpunkt ist nun für Dich, und Ihre Gemeinden gekommen. Sie alle haben eine neue Pastorin, die nun mit Ihnen Leben und Zeit im Pfarrbereich Thale gestaltet und auf dem Weg des Glaubens weiter geht, anknüpft an das was war und ganz andere Wege wagt.

Und du, liebe Ursula, wagst ja bereits andere Wege, hilfst Gemeinden im Kirchenkreis über die Zeit von Vakanzen hinweg. Hältst Gottesdienste und Amtshandlungen, organisierst und berätst. Der Rhythmus Deiner Zeit ist nun anders. Aber die Zeit an sich bleibt. Du hast nun die Freiheit, sie nach Deinen Wünschen nach Deiner Lust woanders zu gestalten und ohne Amtspflichten. Von Herzen wünsche ich Dir, dass Du diese Freiheit nutzen und Deine Zeit füllen kannst.

So Gott will, noch 40 Jahre, Amen.

 

Liebe Ursula,

vor Gott und dieser Gemeinde endet hiermit Dein Dienst im Pfarrbereich Thale, der Dir übertragen war. Alle Zuständigkeiten und Pflichten liegen nicht mehr in Deinen Händen. Was Dich in Deiner Arbeit beschwert hat, was unfertig blieb oder Sorgen macht, legen wir in die Hände Gottes, der allein aus allem ein Ganzes zu machen vermag. Nichts soll Dich beschweren, nichts soll Dich betrüben. Gott wird Dich tragen und begleiten auf Deinem weiteren Lebensweg.

 

Gebet:

Gott, Du Anfang und Ende der Zeit: Wir danken Dir für den Dienst von Pastorin Ursula Meckel, für die Zeit, die sie hier gewirkt hat. Und bitten Dich: Segne unsere Schwester im Glauben. Stärke sie mit Deinem Wort. Schenke ihr Mut und Zuversicht. Das bitten wir Dich durch Jesus Christus, der mit Dir und dem Heiligen Geist unserem Leben einen neuen Anfang schenkt. Amen.

Segen

Gott segne dir den Blick zurück und den Schritt nach vorn. Er schenke dir eine Melodie, die dich wie ein Lachen durch den Tag begleitet und Menschen, die ihre Arme um dich legen wie ein wärmender Mantel. So segne dich…