Kreissynode Halberstadt – 20. März 2010

Von der Seelsorgerin zur Managerin

Zwei Vorworte:

1. 20 Jahre lassen sich nicht in drei Minuten schildern

2. Alles Nachfolgende ist „gefühlt“ – (wie die „gefühlte Temperatur“)

Mein Dienst als Pastorin begann 1977 – mit einem geringen Gehalt und einem hohen Ansehen auch unter Nichtchristen: Eine Idealistin, die nach langem Studium für wenig Geld für ihre Überzeugung arbeitet und einsteht.

Aus einem nichtkirchlichen Elternhaus kommend hatte ich meine Heimat in der Kirche gesucht und gefunden und war als Hauptamtliche hochwillkommen in der Gemeinde und in der Landeskirche. Das machte Mut und gab Kraft und die Zusammenarbeit mit den Schwestern und Brüdern war erfreulich. Wir verstanden uns als eine „Zeugnis- und Dienstgemeinschaft“, unabhängig vom jeweiligen Berufsstand oder Titel. Auch im „Konsi“, dem Konsistorium, saßen Schwestern und Brüder.

Heute habe ich Kolleginnen und Kollegen um mich und in Magdeburg ist DAS KIRCHENAMT, dort residieren Dienstvorgesetzte.

Die Dominanz des Geldes ist erdrückend und erschreckend und führt u.v.a. dazu, dass Hauptamtliche im Wesentlichen als Kostenfaktor gesehen und angesprochen werden und ihnen zusätzlich schon fast grundsätzlich misstraut wird. Ein hoher Krankenstand ist landeskirchenweit eine Folge der systematischen Demotivierung.

In Gremien und Konventen geht es seit Jahren vorrangig um Strukturen, nicht um Inhalte. Der bürokratische Wahnsinn tut ein Übriges, um sich hilflos und überfordert vorzukommen. (Wichtig: Dies richtet sich nicht gegen das Kreiskirchenamt, ohne dessen Hilfen ich längst wutentbrannt und/oder tränenüberströmt zusammengebrochen wäre!) Über das Lied von Reinhard Mey vom „Antrag auf den Antrag eines Antragsformulars“ kann ich schon sehr lange nicht mehr lachen.

Die Arbeitsbereiche haben sich extrem vergrößert, aber es soll nichts aufgegeben, vielmehr noch Zusätzliches getan werden mit dem „Erfolg“: Alles wie früher – nur schlechter, weil weniger intensiv vorbereitet. Auf der Strecke bleiben oft das Zwischenmenschliche und die „weichen Stellen der Gemeindearbeit“ wie zweckfreie Besuche.

Die Zahl der Mitarbeitenden ist durch ABM und jetzt Ein-EURO-Kräfte gestiegen, ich bin Arbeitgeberin geworden, auch das eine neue Erfahrung mit durchaus positiven Seiten: Frischer Wind, Blicke von außen und Erwachsenentaufen. J

Total verändert ist das Verhältnis zu staatlichen Stellen: Früher von dort beargwöhnt und bespitzelt erlebe ich ein hohes Maß an Vertrauen (bin sogar Ehrenbürgerin) und weiß manchmal nicht, ob und wie ich Einladungen zu Einweihungen (Rathäuser, Autobahnen, Jugendherbergen, Wasserräder, Bauspielhäuser usw.) und sichtbarer Teilnahme an Volks- und anderen Festen und der Mitarbeit in kommunalen Gremien folgen kann bzw. will, obwohl es durchaus seinen Reiz und natürlich auch viele Chancen hat, als Kirche in ungewohnter Öffentlichkeit präsent zu sein.

Das Wichtigste für mich in der Gemeindearbeit ist geblieben: Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen und Altersklassen suchen und brauchen einen konkreten Menschen, der ihnen durch die Vermittlung der lebensfördernden Maßstäbe von Jesus Mut zum Leben und zum Widerstand macht.

Ich bin dankbar für die vielen Ehrenamtlichen, ohne die nichts wirklich ginge und die sich nicht entmutigen lassen.

Fazit: Ich bin nach wie vor gerne Pastorin, fühle mich in den Gemeinden (Kirchengemeinden und Kommunen) und bei Kirchentagen zu Hause; nicht mehr in Kirchenkreis und Landeskirche, schon gar nicht in der Vereinigten, die uns unter anderem eine Kirchenzeitung namens „Glaube und Heimat“ beschert hat. (In Klammern: Seit 1966 Leserin, seit 1977 Autorin – jetzt habe ich das Abo gekündigt.)

 

Dennoch: Ich bin und bleibe gerne Pastorin und gebe auch das Träumen nicht auf – so wie ich es in einer ökumenischen musikalischen Vesper in Thale weitergegeben habe:

 

„Reformation – Erneuerung der Kirche – ich fange an zu träumen:

Ich träume von einer Kirche, die immer ärmer wird -

ärmer an Verwaltungsvorschriften und Gesetzen, an Hektik und Erfolgszwang.

Ich träume von einer Kirche, die immer reicher wird -

an Spielräumen und Begegnungsmöglichkeiten, an Geistesgegenwart und Spontaneität, an Standfestigkeit und Gelassenheit, an Freiheit des Wortes und der Tat, an Gottvertrauen und Phantasie - für den Frieden und die Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung auf Erden – für gelingendes Miteinander.“

 

Ursula Meckel, Pastorin 

(nicht PfarrHERRIN)